Heute geht es nicht um meinen eigenen Zoo, sondern den in uns allen ‑ und insbesondere um die Organismen, die bei der Entstehung von Morbus Crohn eine Rolle spielen. Dazu gibt es nämlich eine US-Studie, deren Ergebnisse diesen Monat im Journal of Clinical Gastroenterology veröffentlicht wurden. Rodrick J. Chiodini, Ph.D. (früherer Mitarbeiter der internistischen Abteilung des Texas Tech University Health Sciences Center in El Paso) und Kollegen forschten am Mikrobiom, also der Population aus Mikroorganismen im Darm.
Dabei verglichen sie Biopsien aus dem Darm von 14
Morbus-Crohn-Patienten mit solchen von 6 Patienten ohne Morbus Crohn. Erforscht
wurde dabei sowohl das Mikrobiom auf der Darmschleimhaut (mukosal) als auch das
unter der Darmschleimhaut (submukosal). Wie Dr. Chiodini mir freundlicherweise
in einem Kurzinterview mitteilte, bestand das erste überraschende Ergebnis
darin, dass es überhaupt ein submukosales Mikrobiom ‑ und zwar sowohl bei
gesundem als auch bei krankem Gewebe ‑ gibt, denn bisher wurde angenommen, dass
dieser Bereich bei intakter Schleimhaut relativ steril sein müsste. Er fuhr
fort: „Bei Morbus-Crohn-Patienten ist die Zahl der Mikroorganismen unter der
Schleimhaut um mehrere hundert Mal höher als bei Nichtbetroffenen.“
Weitere Fakten habe ich diesem
Artikel entnommen. Die Haupterkenntnis aus der Studie ist nämlich, dass bei
fast allen untersuchten Morbus-Crohn-Patienten unter der Schleimhaut
charakteristische Vorkommen von besonderen Genen innerhalb des Mikrobioms existierten.
Diese Gene verhelfen den mit ihnen assoziierten Spezies zu besonderer Virulenz
(Widerstandsfähigkeit, Lebens- und Vermehrungsfähigkeit). Bei 43% der
untersuchten Morbus-Crohn-Patienten waren dies Adhäsions- und Invasionsgene, die
mit Proteobakterien assoziiert sind, und bei 50% der Patienten waren es zu
Actinobakterien gehörige Transposonen (springende Gene). Interessanterweise
schlossen sich die beiden Genvorkommen gegenseitig aus, so dass keiner der Patienten
beide Phänomene aufwies. Insgesamt fand man also bei 93% der
Morbus-Crohn-Patienten (13 von 14) eine gegenüber der Mukosa und den
Vergleichspersonen deutlich erhöhte Zahl besonderer Virulenzgene im
submukosalen Bereich; bei 7 Patienten waren zwei Gensequenzen dabei, die zur
Identifikation des Mycobacterium avium paratuberculosis eingesetzt werden sind.
Das ist unglaublich, ich möchte fast sagen revolutionär!
Damit wird trotz der geringen Größe der Studie eindrucksvoll gezeigt, dass
- Mikroorganismen bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Morbus Crohn eine große Rolle, wenn nicht sogar die Rolle schlechthin spielen
- Morbus Crohn vermutlich keine einheitliche Entstehungsgeschichte hat, sondern mindestens zwei verschiedene, mit dem Eindringen und der Ausbreitung bestimmter Mikroorganismen in Zusammenhang stehende Wege in Frage kommen und
- diejenigen, die schon seit Jahrzehnten bei Morbus Crohn einen Zusammenhang mit dem Mycobacterium avium paratuberculosis vermuten (einer meldepflichtigen Infektion, die bei Rindern eine schwere, tödlich verlaufende Verdauungskrankheit auslöst und über Rindfleisch und Milchprodukte auf den Menschen übertragen werden kann), zumindest teilweise auf dem richtigen Dampfer sind.
Ich vermute, dass die Eindringlinge schon bestimmte
Bedingungen vorgefunden haben müssen, zum Beispiel eine durch Antibiotika aus
dem Gleichgewicht geratene „Darmflora“ (besser: Mikrobiom, denn es ist, wie wir
wissen, kein Garten, sondern ein Zoo!), um sich so erfolgreich und dauerhaft
breitmachen und festsetzen zu können. Ich hoffe, dass auf diesem Gebiet weiter
geforscht wird ‑ und dass die Pharmaunternehmen nicht so zynisch sind, diese
Forschungen absichtlich zu sabotieren. Ich bin sicher: es wäre nicht das erste
Mal. Warum die Kuh schlachten, wenn man sie melken kann?